Hohe Ansprüche – an mich selbst oder gegen mich? 18. Oktober 2025 | 2 Minuten Lesezeit

Hohe Ansprüche – an mich selbst oder gegen mich?

Neulich hatte ich zwei Gespräche, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten – und doch erstaunlich eng verbunden waren. Zuerst sprach ich mit jemandem über seine persönlichen Entwicklungsfelder; jemand, der hohe Ansprüche an sich stellt und das auch leisten kann. Ein echter High Performer, der Spaß daran hat, viel zu erreichen, komplexe Dinge zu lösen, Neues zu lernen und sich ständig weiterzuentwickeln. Beeindruckend – und zugleich herausfordernd, weil dieser Antrieb schnell kippen kann: vom gesunden Ehrgeiz hin zum inneren Druck.

Daraufhin kam ich selbst ins Nachdenken und in weiteren Gesprächen darüber, wie das bei mir ist, sprach ich statt von den „hohen Ansprüchen an mich selbst“ von den „hohen Ansprüchen gegen mich selbst“. Ein kleines Wort und doch ein großer Unterschied.

Dieser Versprecher hat mich nicht losgelassen. Denn genau das passiert vielen von uns – gerade denjenigen, die viel erreichen wollen, Verantwortung tragen, gestalten. Hohe Ansprüche an sich können antreiben, motivieren, Energie freisetzen und viel Spaß bringen. Hohe Ansprüche gegen sich dagegen machen eng, kritisch, unnachgiebig und sind auf Dauer ermüdend. Sie verwandeln das Streben nach Leistung in ein Ringen um Fehlerfreiheit, das Lernen in kritische Selbstbewertung und die Freude am Fortschritt in das Gefühl, nie genug zu sein.

Von außen wirkt beides oft gleich: Engagement, Tempo, Leistung. Doch innerlich verändert sich der Ton. Vom „Ich will das gut machen“ hin zu „Ich darf keinen Fehler machen.“ Vom „Ich wachse daran“ hin zu „Ich muss das schaffen.“

Ich begegne diesem feinen Unterschied bei mir selbst und in meinen Coachings immer wieder. Viele Menschen kommen nicht, weil sie zu wenig leisten, sondern weil ihr innerer Antreiber zu laut geworden ist. Dann geht es nicht darum, die Ansprüche zu senken, sondern sie wieder auf die eigene Seite zu holen.

Sich zu fragen:

  • Wofür sind meine hohen Ansprüche eigentlich da?
  • Dienen sie mir oder bestrafen sie mich?
  • Welchen Gewinn habe ich davon und vor was beschützen sie mich?
  • Wann sind sie für mich und wann gegen mich?

Manchmal steckt in einem kleinen Versprecher mehr Wahrheit, als gedacht. Und vielleicht ist das die eigentliche Kunst: Unsere Ansprüche so zu gestalten, dass sie uns stärken, statt uns zu bekämpfen. Denn hohe Ansprüche sind nichts Schlechtes, solange sie mit uns arbeiten, nicht gegen uns.